Niederschlagswasser: Warum für ein Grundstück ohne Kanalanschluss Beiträge anfallen 14. August

Seit Anfang des Jahres gibt es ein einheitliches Entgeltsystem in der fusionierten Verbandsgemeinde Kusel-Altenglan. Die wiederkehrenden Beiträge Wasser und Abwasser sind in den
vergangenen Monaten in den Fokus gerückt und zum Politikum geworden.

Ein Grundstück, das nicht an den Entwässerungskanal angeschlossen ist, für das die Eigentümer aber dennoch Beiträge für Niederschlagswasser zahlen müssen – damit hat sich das Verwaltungsgericht in Neustadt Anfang der Woche beschäftigt. Beklagte: die Verbandsgemeinde Kusel-Altenglan.

„Ich kann Ihr Unbehagen nachvollziehen, das Sie bei der Veranlagung verspürt haben müssen“, wandte sich der Richter mit einfühlsamen Schlussworten an die Klägerin und ihren Ehemann, die am Montag nebst Rechtsbeistand vor dem Verwaltungsgericht in Neustadt erschienen war. Ihr Anliegen: Wieso Beitrage für Niederschlagswasser an die Verwaltung entrichten, wenn das Grundstück gar nicht an den Entwässerungskanal angeschlossen ist? Auf der anderen Seite: die Verbandsgemeinde (VG) Kusel-Altenglan, vertreten durch die beiden stellvertretenden Werkleiter und einen Sachbearbeiter, ebenfalls nebst Rechtsbeistand, der zugleich Geschäftsführer der Kommunalberatung ist. Gleich mehrere Verfahren, die sich zwar im Kern um denselben Sachverhalt drehten, jedoch auf verschiedenen Abrechnungszeiträumen basierten, galt es am Montag im Gerichtssaal zu verhandeln. Dort blieben die Zuschauerränge nicht unbesetzt, was selbst den Richter zu Beginn der Sitzung zu einem Kommentar bewegte: „So viel Interesse an einem schönen Vormittag – toll“, sagte er mit Blick in den Zuschauerraum. Sieben Vertreter der Wählergruppe Danneck – darunter
Thomas Danneck sowie die jüngst ernannte VG-Beigeordnete Yvonne Draudt-Awe – hatten dort zuvor Platz genommen, um die Verhandlung zu verfolgen.

Ist ein Anschluss technisch umsetzbar?
Worum ging’s konkret? Das Grundstück der Eheleute aus der Kreismitte befindet sich in besonderer (Hang-)Lage: Es liegt unterhalb einer Ortsdurchfahrt, die vor einigen Jahren saniert wurde und einen neuen Entwässerungskanal erhalten hat – der jedoch selbst höher liegt als Teile des Hauses. Zuvor habe es in dem Straßenzug eine „ungeordnete Entsorgung“ des Niederschlagswassers gegeben, schilderte der Richter eingangs den Sachverhalt. Teilweise sei das Wasser der Anlieger in den Kanal in der Straße gelaufen, teils sei es aufgefangen worden oder abgeflossen. „Der Entwässerungszustand war nicht mehr up-to-date, um es vorsichtig auszudrücken“, erklärte er. Drum sei bereits 2014 ein Ingenieurbüro beauftragt worden, das sich für eine „geordnete Entsorgung“ ausgesprochen habe, die denn auch kurz darauf erfolgt sei. „Verschiedene Stränge wurden ausgetauscht, einige verringert, andere vergrößert“, fasste der Richter mit Blick auf den neuen Kanal zusammen. Da das Ehepaar damals wie jetzt mittels mehrerer Zisternen Regenwasser auffing, Wasser teilweise auch einfach abfloss und sogar eine Hebeanlage notwendig gewesen wäre, um das Wasser einzuleiten, sah es für einen Anschluss an den höherliegenden Kanal keine Notwendigkeit. 

Die Folge: Das Grundstück der Eheleute wurde beim Niederschlagswasser trotz fehlenden Anschlusses veranlagt. Für den Abrechnungszeitraum 2018 bis 2020 bedeutete das konkret: 465 Euro, die fällig wurden, in den Folgejahren teils deutlich mehr.

Dass ihr durch den neuen Kanal kein Vorteil entsteht, lautete selbstredend das Hauptargument der Klägerseite, die außerdem Zweifel hegte, dass ein Anschluss des Grundstücks in Hanglage an das Kanalnetz überhaupt technisch umsetzbar ist. Vor allem bei der Dachrinne des hinteren Gebäudeteils sei die Höhendifferenz zur Straße ein Problem. Eine Hebeanlage, die das Regenwasser nach oben zum Kanal pumpt, sei in der dafür erforderlichen Größenordnung und unter Berücksichtigung der zunehmenden Starkregenereignisse aus finanziellen Gründen unzumutbar, so die Ansicht des Anwalts, der betonte: „Wir sind der Auffassung, dass besonders beim hinteren Gebäudeteil keine Bevorteilung besteht, sondern eine extreme Benachteiligung.“ Zumindest ebenjener hinterer Teil solle bei der Veranlagung berücksichtigt oder herausgenommen werden.

„Hängen alle an einem Strang“
Bereits zuvor hatte der Richter, der durchaus Verständnis für die Situation der Eheleute zeigte, erläutert, dass es nicht um die Frage gehe, ob ein einzelnes Grundstück auf den neuen Kanal angewiesen sei. Dabei verwies der Vorsitzende auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in einem ähnlichen Fall. Demnach genüge, dass zumindest ein Grundstück den neuen Kanal benötige. Sei dies der Fall, müssten entsprechend alle Anlieger ihren Beitrag dazu leisten. Stichwort Solidargemeinschaft. „Rechtlich lebt man in einer Solidargemeinschaft, die bewirkt, dass man bestimmten Phichten unterliegt, die man individuell vielleicht nicht nachvollziehen kann“, erläuterte der Richter. Nehme man die gesamte Straße mit neuem Entwässerungskanal in den Blick, sei das entwickelte Konzept durchaus schlüssig – „wenngleich aus Sicht der Unterlieger schwer zu verdauen“, sagte er und ergänzte: „Sie hängen im wahrsten Wortsinne alle an einem Strang.“

Lediglich in zwei Fällen habe das OVG als nächst höhere Instanz anders entschieden: In ersterem sei das Oberflächenwasser vom Grundstück direkt in ein Gewässer gemündet, im zweiten Fall habe es nur ein Grundstück unterhalb der Straße gegeben. „Das ist hier beides nicht der Fall“, so der Vorsitzende, der betonte, dass es kein rechtliches Hindernis für einen Anschluss des Areals an den Kanal gebe.

Keine Zweifel an ausreichender Kanal-Größe
Bei Starkregen würde das Wasser vom Dach außerdem „irgendwohin geleitet“, die Zisternen allein reichten nicht zur vollständigen Aufnahme des Regenwassers aus. Eine Bevorteilung sei also durchaus gegeben, fasste der Richter die Auffassung des Gerichts zusammen. Er verwies in Sachen Hebeanlage für den Restniederschlag auf weitere Urteile des OVG’s, die sich mit zumutbaren Zusatzkosten für eine solche Anlage beschäftigten. Im konkreten Fall brauche es keine große Anlage, so die richterliche Auffassung. Die Restflächen seien gering, einiges könne bereits durch Absenken der Dachrinne bewirkt werden. Auch gebe es an der ausreichenden Dimensionierung des Kanals keine Zweifel. Die VG habe zuvor entsprechende Daten vorgelegt.

Gericht kann sich Argumenten nicht anschließen
Für längere Ausführungen des Richters sorgten die unterschiedlichen Satzungen für das Entgeltsystem der VG, die jeweils in verschiedenen Zeiträumen Anwendung finden. Die alte Satzung von 1996 sei „nicht ganz ausgegoren“, formulierte der Richter. Im Grunde hatte dies auf den konkreten Fall und die Einschätzung des Gerichts aber keine Auswirkungen. „Offen gesprochen: Es sieht nicht allzu gut aus, wenn man sich die Rechtsprechung betrachtet“, resümierte der Richter letztlich mit Blick zu den Eheleuten. Das Gericht könne sich ihren Argumenten nicht anschließen.

Eines noch gab die Klägerseite nach kurzer Unterbrechung zu bedenken: Hätte die Klägerin vor sieben Jahren auf einen Anschluss bestanden, obwohl sie diesen nicht brauchte, wären die Kosten inklusive Hebeanlage in die Gesamtrechnung eingeflossen.

Am Ende erzielten beide Seiten eine Einigung und verzichteten auf ein Urteil: Die VG erklärte sich bereit, auf Verlangen der Klägerin kostenfrei einen Grundstücksanschluss zu verlegen. Diese wiederum zog die Klage – beziehungsweise Klagen in verschiedenen Abrechnungszeiträumen – zurück.

Quelle: Die Rheinpfalz, 14. August 2024, Michelle Pfeifer